Michelle Miles: „Ich musste Designlösungen entwickeln, um mir die Welt zu erschließen“
Die US-amerikanische Künstlerin Michelle Miles über ein Leben im Rollstuhl und die Kunst, die daraus resultieren kann. Ihre Arbeiten sind jetzt in der Ausstellung „Crip Time“ im Frankfurter Museum für Moderne Kunst zu sehen. Von Sandra Danicke
Ausstellung ab Samstag, 18. September 2021 im MUSEUMMMK
In einer Welt, die auf permanente körperliche Funktionalität, Mobilität und Verfügbarkeit und deren stetige Steigerung baut, führt jegliche Form von Dysfunktionalität zum unmittelbaren Ausschluss oder wird als behandlungsbedürftig erklärt. Die Gewalt, die innormativen Körper-vorstellungen und somit in Bildung, Arbeit, Architektur, Medizin und Pharmakologie liegt, ist folgenschwer. Fortwährend werden Menschen durch gesellschaftliche Barrieren beeinträchtigt und behindert. Zugänglichkeit aber ist die Grundlage von Teilhabe und Gerechtigkeit. Krankheit ist keine individuelle Angelegenheit, sondern eine kollektive gesellschaftliche. Gesundheit nicht nur ein medizinisches Terrain, sondern auch ein politisches, auf welchem soziale Machtverhältnisse ausgeübt werden. Individuelle Autonomie ist ein Mythos. Unsere gegen-seitige Abhängigkeit anzuerkennen ermöglicht uns hingegen, zu einem neuen Denken von Gesellschaft zu gelangen. Anstelle einer ständigen Verfügbarkeit geht die Idee von „crip time“ von multiplen Bedürfnissen aus. Veränderte Zeitlichkeiten können entstehen, neue Formen der Fürsorge und Verbunden-heit entwickelt und ein anderes Denken und Wahrnehmen eröffnet werden. Es gilt, die Verletzlichkeit unserer Körper als etwas uns Konstituierendes zu begreifen. Denn erst unsere Verletzlichkeitmacht uns zu sensiblen, wahrnehmenden und verschiedenen Menschen.