Das Theater der jungen Welt (TdjW), das älteste und eines der renommiertesten professionellen Kinder- und Jugendtheater Deutschlands, entwickelte gemeinsam mit der in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Diakonie Leipzig ein Hospitationsprogramm für bis zu drei Menschen mit Behinderung. Jede dieser Personen konnte während der zweiwöchigen Hospitation im September 2019 einen Bereich des Theaterhauses, wie Besucherservice, Technik, Haustechnik, Verwaltung, Ausstattung sowie die im Zeitraum der Hospitation stattfindende Produktion „Pssst!“, kennenlernen und unterschiedliche Tätigkeiten ausprobieren. In der Kennenlernphase des Projektes fanden Hausführungen sowohl in den Lindenwerkstätten der Diakonie als auch im Theater für Interessierte beider Einrichtungen statt. Zur konkreteren Vorbereitung gab es darüber hinaus einen Info-Workshop für die Projektbeteiligten, der durch einen Experten der inklusiven Arbeit in Kultureinrichtungen unterstützt wurde. Flankiert wurden die Hospitationen mit einem Kulturprogramm, wie z.B. Besuche von Theatervorstellungen sowie die Teilnahme an theaterpädagogischen Angeboten. Reflexionsgespräche mit allen Beteiligten begleiteten den gesamten Prozess. Die im Hospitationsprogramm gemachten Erfahrungen sollten zu weiteren Schritten führen, wie z. B. eine Teilnahme der Menschen mit Behinderung am inklusiven Theaterclub Melo oder deren Beteiligung an weiteren künstlerischen Formaten und Projekten am Theater.

Ziel der Kooperationspartner ist es, die vorhandenen Strukturen nachhaltig zu verändern. Aus der Zusammenarbeit könnten sich bspw. Außenarbeitsplätze für die Teilnehmer:innen mit Behinderung im Theater entwickeln oder durch sie eine neue Position innerhalb der Theaterproduktionen dauerhaft eingebracht werden.

Nach der Hospitation ist vor dem Außenarbeitsplatz!

Im Rahmen des Modellprojektes „CONNECT – Kunst im Prozess“ zur inklusiven Öffnung von Kultureinrichtungen hatten drei Interessierte aus den Lindenwerkstätten ihren Arbeitsalltag getauscht und die Bretter, die die Welt bedeuten, im Theater der Jungen Welt kennengelernt.

Dabei waren sie in unterschiedlichen Abteilungen tätig und konnten so Orte im Theater entdecken, die die Besucher:innen sonst nicht kennenlernen. Alle drei haben sich gut aufgenommen und wohl gefühlt. Durch das Ausprobieren während der Hospitationen haben sie nicht nur Erfahrungen gesammelt, sondern auch neue Zukunftsperspektiven entwickeln können.

Olaf Schmidt hospitierte im Bereich Besucherservice. Er arbeitete sich schnell ein und hat sich mit Kolleg:innen um die Koordination der Platzverteilung und um die ver-schiedenen Besucher:innengruppen gekümmert. Ihn interessierten dabei ganz konkret: „Wie gestalte ich eine Ansage?“ und „Was passiert hinter den Kulissen?“ Mit Witz und Charme hatte er schnell das Publikum und auch die Servicemitarbeitenden vom Theater für sich eingenommen. Besonders die Programmansagen haben ihm viel Freude bereitet. Der Applaus des Publikums nach den Ansagen war dabei ein Highlight: „Das fand ich sehr rührend“. Nach einem weiteren Praktikum hat Olaf Schmidt seinen Willen bekräftigt, einen Außenarbeitsplatz am Theater antreten zu wollen. Ab März 2020 war dies nun möglich und konnte bereits vertraglich geregelt werden!

Fritz Wegner hatte in verschiedenen Abteilungen mitgearbeitet, hauptsächlich aber bei der Produktion „Pssst“ zum Thema Geheimnis. Der Blick hinter die Kulissen hat ihm besonders gefallen. Zur Frage, ob er sich vorstellen könne, wieder im Theater zu arbeiten, sagte er: „Ganz ehrlich…nein. Es war sehr interessant, aber für mich nichts auf Dauer. Da bin ich lieber hier in meinem Café.“ Auch das war eine wichtige Erfahrung.

In die Abteilung Bühnenbild/Requisite hat Mirjam Hoyer hineingeschnuppert: Sie fühlte sich im Theater sichtlich wohl, hat sehr zuverlässig, selbstständig und motiviert mitgearbeitet und sich dabei ihren Raum erobert. Am besten gefallen hat ihr das Bauen der Requisiten. Mirjam Hoyer hat sehr große Lust, weiter im Theater zu arbeiten. Im Bereich Ausstattung unterstützte sie seit Abschluss des Hospitationsprogramms ebenfalls das Team des TdJW für projektbezogene Arbeiten. Auch diese Zusammenarbeit sollte noch intensiviert werden!

Theaterfachtag am Theater der jungen Welt

Für den 23.4.2020 war ein Fachtag im Theater der jungen Welt geplant, auch er fiel den Schließungen im Zuge der Corona-Krise zum Opfer. Dort sollten die gesammelten Erfahrungen der Projektbeteiligten des Strukturprogramms aus den anderen teil-nehmenden Bundesländern gesammelt und ausgewertet werden und mit einem frischen Input neue Aspekte diskutiert werden.

Und schon wieder musste der Theaterfachtag wegen Corona verschoben werden.

Weiterarbeit in der Kooperation

Langfristig wird für Miriam Hoyer ein Außenarbeitsplatz geplant, der im Bereich Bühnenbild und Ausstattung angesiedelt sein wird. Zur Eröffnung der Spielzeit am 12.9.2020 trug Miriam Hoyer künstlerisch etwas bei. Olaf Schmidt hatte im Oktober 2020 seinen Außenarbeitsplatz im Besucherservice wieder eingenommen. Wegen der Schließung der Theater kann er diesen zur Zeit nicht wahrnehmen

TURBO - Inklusives Festival am Theater der jungen Welt 3.6. bis 6.6.2021

Mit einer zweitägigen Theater-Werkstatt gemeinsam mit dem TdjW und ASSITEJ auf dem digitalen Kinder- und Jugendtheaterfestival am 4. und 5.6. 2021 beendet EUCREA seine Zusammenarbeit mit dem TjdJW.

Wir widmen uns der Frage »Wo sind die inklusiven Stücke für junges Publikum?!«. und schauen auf die aktuelle Situation und die Chancen inklusiver Kunst im Tanz und Theater für junges Publikum. Die TURBO-Werkstatt bietet fünf Arbeitsdialoge. Diese beschäftigen sich mit gezielten Fragestellungen zum Produzieren von inklusiven Tanz- und Theaterprojekten für junges Publikum. Es gibt eine virtuelle Austauschplattform und eine abschließende Podiumsdiskussion. Zielgruppe der TURBO-Werkstatt sind freischaffende Tanz- und Theatermacher:innen und Kultureinrichtungen für junges Publikum.

Weitere Informationen: https://www.theaterderjungenweltleipzig.de/de/turbo-inklusives-festival/turbo-werkstatt/